Ich habe eine Freundin, die sich gut und gerne als starke Frau bezeichnen lässt. Nennen wir sie Sabine.

Sabine schupft ihren herausfordernden Job scheinbar wie mit links, hat zwei noch relativ junge Kinder, ein Haus, das gerade um ein Stockwerk erweitert wird, und seit Neuestem ein Hundebaby. Ich empfinde sie auch als unabhängig, denn trotz ihrer beruflichen und familiären Verpflichtungen geht sie viel aus, reist, und ist immer, wenn ich sie sehe, voller Energie.

Bei unserem letzten Treffen saß mir Sabine nun in Tränen aufgelöst gegenüber. Und erstmal wusste ich gar nicht so recht, was ich damit anfangen soll. Denn so verhält sich Sabine normalerweise nicht.

Schwäche zeigen ist nicht leicht

Doch natürlich stehen auch starke und unabhängige Personen immer wieder mal vor den kleinen und größeren Herausforderungen des Lebens. Das vergessen wir manchmal, wenn sie normalerweise immer so belastbar auf uns wirken. Manchmal fühlt sich auch eine starke Person schwach. Überfordert. Ängstlich. Manchmal ist auch für Sabine alles zu viel.

Wenn man sich als stark und unabhängig erachtet, ist es allerdings oft nicht einfach den Pfad des „stark seins“ zu verlassen und um Hilfe zu bitten.

Das kann unterschiedliche Gründe haben:

Manchmal bittet man nicht um Hilfe, weil der kleine Kontrollfreak, der das Steuer des Lebens fest in der Hand hält, selbst wenn es ihn ordentlich durchschüttelt, nicht gerne loslässt. Und schon gar nicht gerne zugibt, dass das ewige Steuern ganz schön anstrengend sein kann.

Vielleicht bittet man nicht um Hilfe, weil man Angst hat schwach zu erscheinen, weil man sein ganzes Leben immer wieder erklärt bekommen hat, man müsse doch stark sein, durchbeißen, beweisen, dass uns nichts umhaut und dass wir alles gut hinbekommen.

Oder es fehlt schlicht und einfach das Vertrauen, dass die eigene Verwundbarkeit in diesem Moment der Schwäche nicht ausgenutzt wird.

Schwäche zeigen zahlt sich allerdings aus

Wenn wir um jeden Preis stark sein wollen, errichten wir allerdings leider auch eine Mauer um uns. Und je höher die Mauer wird, desto schwieriger wird es eine offene, aufrichtige Verbindung mit anderen Menschen einzugehen. Und die Erfahrung zu machen, wie es sich anfühlen kann, wenn wir aufgefangen werden, wenn uns geholfen wird. Und so unser Grundvertrauen wieder ein klein wenig wachsen kann.

Es braucht Mut sich zu öffnen und um Hilfe zu bitten. Vor allem, wenn man das nicht gewohnt ist, oder nie gelernt hat.

Ich möchte daher heute eine Lanze brechen, für den Mut auch mal Schwäche zu zeigen. Denn Stärke zeichnet sich nicht dadurch aus, alle Herausforderungen des Lebens alleine zu bewältigen. Stärke ist, auch Schwäche zuzulassen, und um Hilfe zu bitten.

Wobei bräuchtest du gerade Hilfe?