Wut macht Frauen stärker und somit resilienter
Kürzlich erzählte eine Krankenpflegerin von ihrem Problem, in Auseinandersetzungen mit dem Oberarzt häufig weinen zu müssen. Sie schämt sich dafür und sie weiß, dass sie sich mit ihren Tränen kleinmacht. Sie will das ändern – spannendes Thema.
Sofort war klar, dass diese Träne keine Trauer ausdrücken, sondern Wut – nicht ausgedrückte Wut.
Vielen Frauen bemerken: „Wenn ich an meine eigenen Wutmomente zurückdenke, stelle ich fest, dass auch ich meist eher traurig als wütend war. Dass mein loderndes Feuer in Wuttränen erlosch.“
Ich selbst kenne dieses Phänomen auch, lieber in die einsame Trauer – lieber mich selbst anklagen – lieber mich selbst klein machen als mit einem deutlichen Machtwort nach außen. Ich könnte dann nicht mehr gemocht werden .
Es ist paradox, dass das unglaublich starke Gefühl der Wut bei Frauen Gefühle der Ohnmacht auslöst, einfach weil es ihnen oft nicht erlaubt ist, Wut als einen natürlichen Teil ihrer selbst anzuerkennen (Kristin Neff).
Wut ist ein kraftvoller Ausdruck von Energie. Eine Energie, die wir zur Gestaltung eines guten Lebens unbedingt brauchen.
Wut ist ein starkes Signal für eine drohende Gefahr. Sie motiviert uns, gegen die Gefahr gerüstet zu sein.
Haben wir Frauen das Gefühl Wut in unserem Repertoire?
Ich würde sagen, nicht im gleichen Ausmaß wie unsere männlichen Geschlechtsgenossen.
Mädchen werden immer noch von ihren Eltern, ihren Erzieher*innen öfter ermutigt, ihre sanften Seiten zu zeigen – freundlich, nett, hilfsbereit, kooperativ … zu sein.
Gleichzeitig werden sie eher getadelt, wenn sie mal laut werden, mit dem Fuß auf den Boden stampfen …
Viele Teilnehmerinnen einer Studie waren mit ihrer Wut überhaupt nicht in Kontakt oder fühlten sich zutiefst unwohl.
Eine Frau drückte es so aus: »Ich glaube, ich bin so sozialisiert worden, dass ich nicht anerkennen kann, dass Wut ein wertvolles menschliches Gefühl ist.“
Wut ist böse! – Nicht immer!
Natürlich gibt es die destruktive Wut und diese Wut zerstört.
Die guten Seiten der Wut:
Konstruktive Wut ist der Anfangspunkt eines Prozesses: Für sich selbst einstehen, die eigenen Rechte einfordern und Grenzen zu setzen.
Konstruktive Wut legt den Fokus auf das Falsche, ohne den Übeltäter anzugreifen. Es geht vielmehr darum, zu verstehen, was hat zu dem Falschen geführt.
Konstruktive Wut denkt nach, welche Auswirkungen sie auf andere hat. Sie will Leid kleiner machen und dramatisiert nicht.
Konstruktive Wut erhält uns am Leben und ist sehr gesund.
Konstruktive Wut kann eine Macht des Guten darstellen.
Ich selbst bin seit einiger Zeit dabei, mir meine Wut zu erobern und sie angemessen auszudrücken – fällt mir nicht ganz leicht.
Frage an dich: Wie gehst du mit deiner Wut um?