Reue als Chance nutzen – Drei Schritte für persönliches Wachstum

 

Reue hilft dir besser zu werden

 

Kennst du diesen Satz: „Hätte ich doch nur …“

Derartige Gedankenspiele führen häufig zu Reue-Gefühlen und wir fühlen uns damit nicht gut.

 

Meine Erfahrung mit Reue

Vor ca. zwei Jahren waberte in meinem Geist der Satz:

»Warum bin ich nicht viel früher ausgestiegen… «.

Als Mitgründerin eines kleinen Unternehmens setzte ich viel Geld in den Sand und erlitt auf persönlicher Ebene einige Schrammen. Einige Zeit habe ich meine Wunden gehegt und gepflegt. Bittere Reue quälte mich. Ich gebe zu, ich hing in den Reue-Gefühlen eine Weile richtig fest – kein schöner Zustand.

Diesen Zustand wollte ich beenden und habe mich mit professioneller Unterstützung aus dem Reue-Tal herausgearbeitet.

  • Ja, es ist mir schwer gefallen, mir das Bereute nochmal genau anzuschauen und es hat mich geschmerzt. Doch ich habe mich gestellt.
  • Und ja, als ich meine Reue verarbeitet hatte, ging es mir viel besser. Im nachhinein kann ich sogar sagen, ich bin für diese Erfahrung dankbar. Das konnte ich mir lange nicht vorstellen. Jetzt durchdenke ich meine geschäftlichen Entscheidungen achtsamer und springe nicht auf jeden interessanten Zug auf.
  • Und ja, ich werde möglicherweise wieder Fehler machen, die ich bereuen werde. Doch jetzt weiß, davon geht die Welt nicht unter, sondern ich werde immer schlauer .

 

Am Ende wusste ich sehr genau, wie wichtig für mich ein guter Umgang mit Reue ist. Vielleicht auch für dich, dann lies‘ weiter.

 

Das Wesen Reue

 

Reue ist eine häufige emotionale Reaktion, die oft aus Enttäuschung oder Selbstkritik entsteht. Sie kann verstörend und unangenehm sein, uns dazu bringen, über vergangene Handlungen oder Entscheidungen nachzudenken, manchmal leider viel zu lange.

Obwohl Reue in der Regel als negative Emotion betrachtet wird, legen Studien nahe, dass sie einen wertvollen Zweck in unserem persönlichen und beruflichen Leben erfüllt.

Indem wir Reue anerkennen und akzeptieren, beginnen wir, sie für unser Wachstum und unsere Weiterentwicklung zu nutzen.

In der Arbeitswelt betrachten wir Reue eher als Schwäche. Denn wir wollen proaktiv handeln und lösungsorientiert sein. Reue dagegen richtet den Blick zumindest im ersten Schritt auf die Vergangenheit und nicht in die Zukunft.

 

Die Vorteile von Reue für die persönliche Entwicklung

 

Studien haben gezeigt, dass Reue eine entscheidende Rolle dabei spielt, unser Verhalten und unsere Entscheidungsprozesse zu formen. Wenn wir Reue empfinden, fordert sie uns auf, über unsere Entscheidungen nachzudenken und alternative Handlungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Indem wir aus vergangenen Reuegefühlen lernen, können wir vermeiden, dieselben Fehler zu wiederholen, bessere Entscheidungen zu treffen und letztendlich unsere persönliche Entwicklung voranzubringen. Indem wir Reue als konstruktive Kraft akzeptieren, kann dies zu größerer Widerstandsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und Selbstreflexion führen.

In der Februarausgabe (2024) von ManagerSeminare habe ich einen Artikel gelesen:

»Konstruktive Selbstkritik – Führungsstärke Reue« (Daniel H. Pink)

 

Ich wollte wissen:

  • Warum könnte Reue eine Führungs-Stärke sein?
  • Warum könnte Reue eine Selbstführungs-Stärke sein?

Der Autor spricht von einer »Gesunden Reue« und bezeichnet Reue als ein Zeichen von geistiger Gesundheit. Und er zeigt einen Weg auf, wie wir diese schwierige Emotion für unsere Entwicklung nutzen können.

Außerdem war ich überrascht zu erfahren, dass sich die Sozial-, Entwicklungs- und Kognitionsforschung bereits seit 70 Jahren intensiv mit dem Thema »Reue« auseinandersetzt.

Zwei zentrale Erkenntnisse aus der Forschung:

✔ Reue macht uns menschlich

✔ Reue fördert unsere persönliche Entwicklung zum Besseren.

 

Reue nutzen: Entwicklungschancen aufdecken

 

Reue ist unangenehm und manchmal tut sie weh. Doch sie kann sehr wertvoll sein, denn sie kann uns helfen, in der Zukunft vorteilhafter zu entscheiden und zu handeln:

  • Beim nächsten Mal passen wir besser auf
  • Wir denken länger nach und holen uns mehr Informationen, bevor wir wichtige Entscheidungen treffen
  • Wir tappen nicht so leicht in typische Denkfehler, eine kognitive Verzerrung hat nicht so viel Chancen zu verfangen
  • Berufliche Rückschläge, die wir bereuen, können unsere Karriere voranbringen.

Wenn wir rechtzeitig bereuen und erfolglose Vorhaben stoppen, können wir unsere Energie und Ressourcen auf erfolgversprechendere Ziele umlenken. So können wir der typischen Denkfalle: »Sunk Cost Fallacy« entkommen. Personen, die diesem Bias unterliegen, neigen dazu, an einem Vorhaben festzuhalten oder weiter zu investieren, weil sie bereits Zeit, Geld oder andere Ressourcen investiert haben, selbst wenn dies nicht rational oder sinnvoll ist.

Rechtzeitige Reue tut auch hier weh, aber wir verschwenden nicht noch mehr Ressourcen.

 

Reue meistern: Drei Schritte für eine resilientere Zukunft

 

Damit wir Reue vorteilhaft nutzen können, müssen wir unsere Sichtweise ändern und einen gesunden Umgang damit pflegen.

 

Daniel H. Pink trifft die Aussage in seinem Buch[1]: »Reue macht uns besser».

 

Reue warnt uns rechtzeitig. Sie verhindert, dass wir uns weiter in aussichtslose Situationen verstricken. Sie mahnt uns, nicht mehr Zeit, Geld und Mühe in gescheiterte Projekte oder auch Beziehungen zu investieren. Bei frühem Erkennen hilft sie uns, Ressourcen zu sparen und die Richtung zu wechseln. So wird Reue zu einem Werkzeug, das uns vor weiteren Fehlentscheidungen schützt.

Experimentelle Untersuchungen zeigen, dass Reue uns schärft. Der negative Stachel motiviert uns, beim nächsten Mal sorgfältiger zu handeln. Wir holen mehr Informationen ein, prüfen eine breitere Palette an Optionen und nehmen uns die nötige Zeit für fundierte Entscheidungen.

Reue kann unsere Leistung steigern, indem sie als starker Antrieb für sorgfältigeres Handeln dient. Das unangenehme Gefühl nach einem Fehler veranlasst uns, in Zukunft gründlicher zu arbeiten. Wir informieren uns umfassender, erwägen vielfältigere Möglichkeiten und entscheiden überlegter. So wandelt sich Reue in einen Katalysator, der unsere Fähigkeit, bessere Ergebnisse zu erzielen, verstärkt.

Reue ist erstmal unangenehm und schließlich aktiviert sie uns.

 

Drei Schritte für einen gesunden Umgang mit Reue:

 

Schritt 1: Betrachten und Reflektieren über Reue

 

Ja, du hast richtig gelesen, wir müssen uns dem Bereuten stellen und es nochmal anschauen. Nimm dir Zeit, um die Quelle deiner Reue zu überdenken und zu untersuchen. Führe Schreibaufgaben oder Gespräche mit anderen durch, um Klarheit und Einblicke in deine Reuegefühle zu gewinnen. Indem du dich deinen Reuegefühlen direkt stellst, kannst du den Prozess der Heilung und Transformation beginnen.

Drei mögliche Vorgehensweisen:

  • Schreibe an drei aufeinanderfolgenden Tagen je fünfzehn Minuten lang über deine Reue.
  • Sprich an drei aufeinanderfolgenden Tagen je fünfzehn Minuten lang in ein Aufnahmegerät über das, was du bereust.
  • Erzähle einer anderen Person, persönlich oder am Telefon, detailliert von deiner Reue, setze dir aber ein Zeitlimit von einer halben Stunde, um nicht in Wiederholungen und Grübeln zu verfallen.

 

Schritt 2: Selbstmitgefühl statt destruktiver Selbstkritik

 

Anstatt dich selbst gnadenlos zu beschimpfen, schenke dir eine große Portion Selbstmitgefühl. Erkenne an, dass Fehler menschlich sind und nutze sie als Chance für persönliches Wachstum. Verzeihe dir selbst und nimm die Lektionen, die du aus deinen Fehlern lernst, als wertvolle Schritte auf dem Weg zur Verbesserung. Begegne dir mit Güte und Verständnis, so wie du es bei einem guten Freund oder einer guten Freundin tun würdest.

Sei also nachsichtig mit dir selbst und akzeptiere, dass Unvollkommenheit und Irrtümer zum Leben dazugehören. Jeder und jede stolpert und begegnet Schwierigkeiten – das ist normal und verbindet uns. Anstatt dich zu tadeln, erkenne diese Wahrheiten als Teil unserer gemeinsamen menschlichen Erfahrung an.

 

Hier kannst du mehr zu Selbstmitgefühl lesen, klicke hier

 

Schritt 3: Selbstdistanzierung – ohne Scham und Groll aus dem Bedauerten zu lernen

 

Jetzt geht es darum, dass wir Abstand von dem Bereuten bekommen. Es hilft nicht, in der Reue zu versinken, das macht es wahrlich nicht besser.

Dafür gibt es drei wirksame Methoden:

  • Nimm die Perspektive eines neutralen Beobachters oder Betrachterin ein. Betrachte das Bereute, als wäre es Problem eines anderen. Dieser Blickwinkel hilft oft, Lösungen klarer zu sehen. Manchmal reicht es schon, den Ort zu wechseln, um die Gedanken neu zu ordnen.

 

  • Denke in Zeiträumen: Frage dich, wie wichtig das Problem in zehn Jahren sein wird. Diese Zukunftssicht kann die Schwere des Problems schmälern und es überwindbarer machen.

 

  • Ändere deine Sprache: Wenn du über Schwierigkeiten sprichst, nutze Pronomen der dritten Person oder sprich in der zweiten Person von dir selbst. Studien zeigen, dass dies zu mehr Distanz führt und dabei hilft, Aufgaben besser zu meistern und zukünftig klüger zu handeln. Sogar dein eigenes Ich beim Namen zu nennen, kann ähnlich positive Effekte haben.

 

 

Fazit

Reue ist nicht nur eine Quelle von Schmerz und Unbehagen, sondern kann auch eine Quelle von Weisheit und Wachstum sein. Indem wir Reue mit Offenheit und Selbstmitgefühl annehmen, können wir ihre transformative Kraft nutzen, um eine bessere Versionen unserer selbst zu werden. Durch Reflexion, Selbstmitgefühl und die Gewinnung von Perspektive können wir Reue mit Widerstandsfähigkeit navigieren und sie als Sprungbrett für persönliche Entwicklung nutzen. Die bewusste Annahme von Reue als Katalysator für positive Veränderungen ermöglicht es uns, eine Denkweise des kontinuierlichen Lernens und Wachstums zu kultivieren.

 

Teile deine Erfahrungen mit Gefühlen der Reue gerne in den Kommentaren unten. Deine Erkenntnisse können andere auf ihrem Weg zum persönlichen Wachstum und zur Transformation inspirieren.

Vielen Dank fürs Lesen!

Deine Brigitte

 

 

[1] Daniel H. Pink, Die Kraft der Reue: Wie der Blick zurück uns hilft, nach vorne zu schauen | Eine völlig neue Perspektive auf eine unterschätzte Emotion, 2022