Kürzlich wurde ich gefragt: Kann man es mit Resilienz eigentlich auch übertreiben?

Im Allgemeinen verbinden wir mit dem Wort Resilienz positive Dinge wie psychische Widerstandskraft und die Fähigkeit, schwierige Zeiten zu meistern. Als Resilienztrainerin ist es meine Mission, Menschen Ressourcen aufzuzeigen, ihnen zu helfen, sich weiterzuentwickeln und Hindernisse zu überwinden. Daran kann doch nichts Schlechtes sein, oder?

Nun, tatsächlich verhält es sich bei der Resilienz wie auch bei den meisten anderen Dingen:

Es gibt immer einen Punkt, an dem eine eigentlich gute Sache kippt und ins Gegenteil umschlägt.

Paradoxe Resilienz

Dr. Petra Bock (Autorin und Coach) hat dies als Phänomen der paradoxen Resilienz bezeichnet und wie folgt auf den Punkt gebracht: „Paradox wird Resilienz dann, wenn wir unsere Fähigkeit zur Resilienz dazu nutzen, uns in Lebenssituationen zu halten und zu stabilisieren, die uns eigentlich nicht guttun. Sie schädigt unsere Lebensqualität, wenn wir immer wieder Gründe finden und Kraft aufwenden, das eigentlich Unhaltbare auszuhalten.“

Wir ziehen also an manchen Stellen unseren Schutzpanzer über, passen uns an und verbleiben schlussendlich in Situationen, die wir eigentlich verlassen oder verändern sollten – gerade in Jobs und zwischenmenschlichen Beziehungen kommt dies häufig vor. Wir denken dann, wir müssten uns nur noch ein wenig weiter optimieren, noch etwas mehr an uns arbeiten, dann kämen wir hoffentlich irgendwann klar.

Und tatsächlich, das weiß ich aus eigener Erfahrung, ist der Grat zwischen gesunder Resilienz und ungesunder Anpassung um jeden Preis mitunter sehr schmal.

Wie behalte ich die Balance?

Mein heutiger Resilienzimpuls lautet deshalb: Schau einmal mit Abstand auf dein derzeit herausfordernstes Lebensthema (wohlgemerkt eines, an dem du etwas ändern kannst!) und nimm dabei die oben beschriebene Perspektive ein.

  • Frag dich, ob die Situation durch verfeinerte Anpassungsstrategien deinerseits tatsächlich gelöst oder zum Guten verändert werden kann.
  • Frag dich, ob es dir dann gut gehen wird.
  • Und frag dich auch, wie viel Anpassung oder Widerstandskraft du für gerechtfertigt hältst, um den aktuellen Zustand weiterhin zu tragen – vielleicht legst du auch einen Punkt fest, welchen du keinesfalls überschreiten möchtest.

Bei allen Bemühungen, die wir unternehmen, um mit herausfordernden Situationen besser fertig zu werden – und die zweifellos wichtig und hilfreich sind – hin und wieder sollten wir einen Schritt zurücktreten und unseren Blick von den eher kleineren Details, den Strategien und Ressourcen im Alltag weg und hin zum großen Ganzen lenken.

Mich interessiert, ob du bereits Erfahrungen mit paradoxer Resilienz gemacht hast. Teile diese gern in den Kommentaren mit uns.