3 hilfreiche Tipps für den Umgang mit den Angehörigen in einem Seniorenheim
Von Pflegekräften in Senioreneinrichtungen höre ich immer wieder, neben der Pflege ist auch und besonders der Umgang mit den ‚lieben‘ Angehörigen anstrengend. So mancher Angehöriger oder Angehörige kann ganz schön nervig sein. Angehörige wissen oft, wie gute Pflege auszusehen hat – was die Mutter oder der Vater in der Einrichtung genau braucht, usw. usf. Außerdem wird für die Pflege viel Geld bezahlt, da können doch die Angehörigen eine individuelle Pflege erwarten oder etwa nicht?!
Die Negativschlagzeilen in der Presse fördern zusätzlich eine kritische Haltung der Angehörigen. Und ich meine, den meisten Senioreneinrichtungen und damit vor allem ihren Pflegekräften wird Unrecht getan. Pflegekräfte wollen einen guten Dienst an den alten Menschen verrichten und tun das Bestmögliche. Häufig überfordern sie sich selbst dabei. Wenn sie dann noch zu Unrecht kritisiert werden, frustriert das sehr.
Die Pflegekräfte können sich die Angehörigen nicht nach ihren Wünschen backen. Ob es ihnen gefällt oder nicht, sie müssen mit ihnen klarkommen. So ist es sinnvoll, sich als Pflegekraft mit dem Umgang der Angehörigen auseinanderzusetzen:
- Wie kann ich mit den Angehörigen respektvoll umgehen und gleichzeitig auf mich selbst achten?
- Wie kann ich mich auf angemessene Weise von den Angehörigen und deren überzogenen Ansprüchen abgrenzen?
- Wie kann ich die Angehörigen und ihre Anliegen ernst nehmen?
Sind Sie Pflegekraft, dann bekommen Sie in diesem Beitrag ein paar hilfreich Anregungen und Tipps. Dabei möchte ich betonen, dass Sie immer Ihre Art und Weise für den Umgang mit den Angehörigen finden sollen. Es gibt nicht den einen richtigen Weg und alle anderen Möglichkeiten sind falsch.
Tipp 1: Akzeptieren Sie, dass es immer wieder anspruchsvolle Angehörige gibt.
Schon Konrad Adenauer hat gesagt: „Nehmen Sie die Menschen wie sie sind, andere gibt’s nicht.“
Damit möchte ich Ihnen vermitteln, dass unter den vielen Angehörigen, mit denen Sie zu tun haben, immer wieder Angehörige dabei sind, die eben schwierig und fordernd sind, die überhöhte Ansprüche haben. Es gibt keinen Zaubertrick, diese Menschen zu ändern. Gäbe es einen solchen, würde ich Ihnen diesen nur zu gern verraten. Das bedeutet nun nicht, dass Sie mit dem Verhalten einverstanden sein müssen. Sie dürfen sich in angemessener Form von ihnen abgrenzen und das sollten Sie sogar im Sinne der Selbstfürsorge tun.
Dann gibt es noch die Angehörigen, die grundsätzlich negativ gestimmt sind. Diese Menschen gehen mit einer negativen Sichtweise auf die Welt durch ihr Leben und diese Negativbrille legen sie auch an der Pforte in Ihre Einrichtung nicht ab. Genau dieser Typus wird immer was zum Kritisieren finden. Das Positive wird ausgefiltert oder für selbstverständlich angesehen. Deren Kritik sollten Sie niemals persönlich nehmen.
Finden Sie eine innere Haltung zu diesem Menschentypus und freuen sich über all die anderen Angehörigen, mit denen Sie richtig gut klarkommen und die Ihre Arbeit wertschätzen. Die sind in der Regel in der Mehrzahl. Glauben Sie mir das jedoch nicht einfach, sondern überprüfen Sie es selbst.
Tipp 2: Verständnis für das Verhalten der Angehörigen aufbringen.
Damit meine ich, dass sich hinter jedem gezeigten Verhalten eine weitere „Schicht“ verbirgt. Diese tiefere „Schicht“ hat meist mit Ihrer Pflege nicht so viel zu tun. Angehörige werden so manches Mal von Schuldgefühlen geplagt. Eigentlich fühlen sie sich verpflichtet, die Mutter oder den Vater selbst zu pflegen und aus diversen Gründen können sie diese Betreuung nicht leisten. Dann beruhigen die Angehörigen ihr schlechtes Gewissen damit, dass sie Ihnen genau auf die Finger schauen: Machen Sie auch alles richtig – im Sinne der Mutter oder des Vaters. Es wird dann verglichen und wenn Sie die Pflege und die Betreuung nicht so machen, wie sie es selbst machen würden, schieben sie Ihnen den schwarzen Peter zu. Nehmen Sie diese Zuschreibung nicht an. Ich weiß, das ist nicht immer so leicht, Sie können es trainieren.
Tipp 3: Hören Sie für eine gewisse Zeit den Angehörigen zu.
Und natürlich kennen die Angehörigen Ihre Bewohner/-innen lange und gut. Gerade die erwachsenen Kinder Ihrer Bewohner/-innen wissen um deren Bedürfnisse und wollen so wie Sie auch, dass es den alten Menschen gut geht. Da prallen dann manchmal Welten aufeinander.
Meine Empfehlung hören Sie den Angehörigen zu und wenn es möglich ist, können Sie auf die Anregungen und Wünsche eingehen. Wenn es einfach nicht leistbar ist und auch nicht sinnvoll ist, schließlich sind Sie die ausgebildete Pflegekraft, dann erklären Sie es den Angehörigen in aller Ruhe. Damit soll es dann auch geklärt sein. Kommt jetzt ein Angehöriger ein zweites Mal und ein drittes Mal auf Sie zu, grenzen Sie sich in angemessener Weise ab. Das ist Ihr gutes Recht. Jetzt denken Sie vielleicht, die hat leicht reden und das stimmt sogar in gewisser Weise. Es hilft jedoch alles nichts, es geht darum, sich von überzogenen Ansprüchen der Angehörigen gut abzugrenzen. Das gilt es für Sie zu lernen.
Wenn Sie sich diese Tipps zu Herzen nehmen und daran arbeiten, ist schon viel gewonnen. Mit einem guten Mentaltraining ist z.B. eine gesunde Abgrenzung gut trainierbar. Ich sage nicht von heute auf morgen, das braucht schon seine Zeit und dieses Training lohnt sich für Sie und Ihre Gesundheit. Diese Tipps sind jetzt eher allgemeiner Natur und wenn Sie es konkreter brauchen, dann melden Sie sich – ich bin gerne für Sie da.
Zum Schluss: Sie sind nicht die Dienstleister für die Angehörigen. Sorgen Sie für eine gute Selbstfürsorge, damit Sie auch Morgen noch gut für Ihre Bewohner/-innen da sein können. Sollten Sie Fragen und/oder Anmerkungen zu den Tipps haben, dann freue ich mich über Ihre Kommentare und ich werde antworten.
Liebe Brigitte,
vielen Dank für diesen wertvollen Blog mit seinen sehr hilfreichen Tipps, nicht nur für Pflegekräfte etc.
Auch wenn ich weder Angehörige von Pflegepatienten bin oder selbst Dienstleistende in diesem Bereich, nehme ich doch eine wichtige Botschaft mit! Nämlich die, des Grenzen setzen, um sich selbst zu schützen. Etwas, was ich in meinem Leben nicht so gut kann und mir als Lernaufgabe gesetzt habe. „Einfach“mal Nein sagen oder Stop, bis hierher und nicht weiter. Nicht so einfach, aber sehr wichtig für jeden von uns. Insbesondere, wenn er viel mit Menschen zu tun hat, egal, ob als Dienstleister oder einfach als Mensch, der gerne anderen hilft, dabei aber nicht ausgenutzt werden möchte. Es hat was damit zutun, was wir uns Wert sind und setzt voraus, dass wir uns im Klaren sind, was wir wollen und was wir dafür bereit sind zu tun und zu geben. In Bezug auf unsere Jobs könnte das bedeuten, sei Dir bewusst, was Du leistest und dass Du Dein Bestes gibst bzw. Du das gibst, wofür Du bezahlt wirst und stehe dazu und dafür ein.
Wenn wir das selbst-bewusst und selbst-verständlich den Angehörigen von Patienten zu verstehen geben, dann werden sie es auch wie selbstverständlich annehmen können und lassen mit ihren – manchmal überzogenen – Anforderungen nach, ohne dass ein negatives Gefühl damit verbunden ist.
In diesem Sinne, vielen Dank für diese wunderbare Anregung an Menschen, die einen so wertvollen Dienst an Menschen verrichten und dabei leider zu oft sich selbst als Mensch übersehen.
Allen, die sich angesprochen fühlen – gutes Gelingen bei der „Selbstpflege“
Liebe Beate,
vielen Dank für deinen so wahren Kommentar, su sprichst mir aus dem Herzen. Und ich gebe es zu, ich bin auch nicht so gut im Neinsagen und Grenzen setzen, bin aber schon besser geworden. Es ist einfach ein Veränderungsprozess, der Zeit und Geduld braucht. Und wie du sagst, wir sollten alle gut auf uns selbst schauen und wertschätzen, was wir tagein-tagaus Gutes tun und leisten. Tun wir das nicht, sammeln wir über kurz oder lang inneren Groll an und damit ist niemand gedient.
Ich schreibe seit ein paar Wochen jeden Abend auf, was ich Gutes getan habe – auch Kleinigkeiten – und das hilft sehr, sich selbst wertzuschätzen.
Dir eine gute Zeit und liebe Grüße
Brigitte
Liebe Brigitte,
hab herzlichen Dank für diesen Beitrag, den ich eben entdeckt habe. Ich bin insoweit Betroffener, als meine Mutter mit 85 Jahren ins Alten- und Pflegeheim gekommen ist – wegen Demenz gab es keinen anderen Weg mehr. Ich durfte und konnte in den ersten 10 Tagen nach ihrem Umzug ins Heim bei ihr sein und habe dabei nicht nur die Bewohner, sondern auch die Pflegerinnen und Pfleger und die Leitung kennen und auch schätzen gelernt. Alle Schwestern haben sich sehr bemüht, liebevoll mit den Bewohnern umzugehen und sich um sie zu kümmern. Ich war dafür sehr dankbar. Wer als Angehöriger Sorgen hat, sollte sie offen ansprechen, dann wird in den meisten Fällen auch eine Lösung gefunden werden. Wir sollten uns immer wieder bewußt machen, dass es eine sehr anspruchsvolle Aufgabe ist, Menschen im Alter liebevoll zu pflegen – und nicht immer schön. Wie ginge es uns, wenn wir in ihrer Lage wären? Ich bin seit 2013 in der Diakonie als Schulbegleiter tätig und kenne deshalb auch die Seite des Dienstleisters – und ich freue mich, wenn ich auch mal Anerkennung für meine Tätigkeit bekomme. Ich bin früh und dankbar für alle Menschen, die sich für einen Pflegeberuf entscheiden.
Lieber Matthias,
danke für deinen so schönen und wertvollen Kommentar zu diesem Artikel. Meine Mutter lebt auch in einem Altersheim und ich bin so dankbar, dass die Pflegekräfte dort so gut mit meiner Mutter umgehen. Ich finde es auch vollkommen normal, dass Pflegekräfte auch mal einen Fehler machen oder nicht so gut drauf sind. Das ist doch menschlich.
Ich bin der Ansicht, dass Pflegekräfte viel mehr Wertschätzung verdienen als sie es bekommen.
Wir als Angehörige können zumindest den Pflegekräften Wertschätzungen geben.
Ich wünsche dir schöne Ostern und liebe Grüße
Brigitte
Bekannte haben ihre Mutter ins Pflegeheim geben müssen. Sie besuchen Ihre Mutter regelmäßig. Dort kann man sich an sehr freundliches Personal wenden. Man sieht es geht auch anders.
Liebe Frau Fischer,
danke für Ihre Rückmeldung und es ist so schön von Ihnen zu lesen, dass es auch anders geht. Das macht Mut.
Liebe Grüße
Brigitte Hettenkofer
Hallo Leider ist es so das man nie jedem Recht machen kann am Wochenende zu.b ist man alleine im Spät Dienst für 16 Bewohner.
Kein Personal.
Oder die Angehörigen helfen mit meist wird das aber auch abgelehnt. Zugehört wird auch nicht.
Sehen leider immer nur sich selbst.
Sehr schwierig das ganze.
Liebe Tina,
ich hoffe, das wertschätzende Du ist in Ordnung.
Es ist so wahr, man kann es nie allen Recht machen – unmöglich.
Es wäre wirklich viel gewonnen, wenn wir uns wieder mehr zuhören. Gut zuhören ist eine Kunst und leider nicht selbstverständlich.
Dir alles Gute, liebe Tina.
Danke für den Tipps bezüglich den Umgang mit Angehörigen in einem Seniorenheim. Ich werde es auf jeden Fall ausprobieren. Die hat mir echt gut geholfen da ich mich momentan in der Ausbildung befinde und manchmal wirklich schweren Fällen begegne.
Liebe Ida,
es freut mich sehr, dass die Tipps für Sie hilfreich sind. Meine eigene Mutter ist im Seniorenheim und ich bin so dankbar, dass es Pflegekräfte gibt wie Sie auch eine werden. Zudem mache ich ganz viele Seminare für Pflegekräfte und höre oft sehr anstrengende Geschichte. Da bekommt man den Eindruck, die Angehörigen sind die besseren Pflegekräfte. Ich wünsche Ihnen alles Gute bei Ihrer Ausbildung.
Liebe Grüße
Brigitte Hettenkofer
Sehr geehrte Frau Hettenkofer,
selbstverständlich sind Pflegekräfte vom Fach und selbstverständlich ist ein Seniorenheim keine Einzelbetreuung, sondern eine Gemeinschaft, wo letztlich alles zusammen funktionieren muss – und auch kann.
Als Betreuerin einer alten Dame würde ich mir von den Fachkräften Transparenz wünschen wie z.B. wir haben letztlich nur 5-10 Min. Zeit, das Essen zu geben. Alles andere ist unrealistisch. Das wäre ehrlich …. wenn es so wäre. Ich habe bei meiner Tante vor vielen Jahren in einem Seniorenheim Folgendes erlebt: Drei Tage vor ihrem Tod – sie aß nichts mehr, man konnte nur noch den Mund befeuchten. Da schrieb eine Pflegekraft in den Plan: Frühstück, Zwei Marmeladenbrote und eine Tasse Kaffee.
Was mich angeht, so ist eine ehrliche Zusammenarbeit das Würdevollste, was es gibt. Es schafft Vertrauen.
Aber zu sagen: Jetzt sind wir die Fachleute – Sie haben sowieso keine Ahnung von Ihrer Angehörigen – das geht für mich nicht.
Ehrlichkeit auf beiden Seiten wäre für mich die Grundlage guter Zusammenarbeit. In vielen Einrichtungen ist das gegeben, aber in einigen anderen ist dem weit gefehlt.
Liebe Frau Haberkorn,
lieben Dank für Ihren so ausführlichen und konstruktiven Beitrag.
Ich kann Sie so gut verstehen, dass Sie sich Transparenz von den Fachkräften wünschen – das wünsche ich mir auch. Leider ist das für die Fachkräfte gar nicht möglich und zwar im politischen und medialen Sinne. Damit meine ich, wenn eine Fachkraft ehrlich sagt, dass sie keine Zeit für eine gute Pflege hat, dann kommt mancher Mensch auf komische Ideen und geht damit an die Presse. Ich schreibe das, weil das alles schon passiert ist und manchmal zu Recht und viel öfter zu unrecht. Natürlich gibt es schwarze Schafe, darüber brauchen wir nicht reden.
Ich begleite und unterstütze seit über 10 Jahre Pflegefachkräfte und die allermeisten tun unter sehr schwierigen Rahmenbedingungen einen guten Job.
Ich wünsche mir eine kooperative Zusammenarbeit zwischen Angehörigen und Fachkräften. Meine Erfahrung ist allerdings, dass es Angehörige gibt, die die Fachpflege richtig erschweren. Genau diese Fälle werden in den Trainings und Supervisionen von Fachkräften erzählt und das macht den engagierten Fachkräften das Arbeitsleben noch schwerer.
Ich sehe es wie Sie, eine ehrliche Zusammenarbeit ist das Würdevollste. Da braucht es doch andere Rahmenbedingungen für die Pflege. Wenn es so weitergeht, dann werden wir immer weniger junge Menschen haben, die in diesem Beruf arbeiten wollen oder sie steigen nach ein paar Jahren aus, weil sie ausgebrannt sind.
Danke für diesen offenen und ehrlichen Text. Besonders der Part hat mich angesprochen, dass es immer wieder Angehörige gibt, die anspruchsvoll bei der Auswahl der Pflegeheime für Senioren sind. Das man da nur auf sich selbst achten kann und sich abgrenzen muss. Vielen Dank!
Lieber Frau Webers,
danke für Ihren Kommentar. Abgrenzung ist ein ganz wichtiges Thema für alle Mitarbeitenden in einem Seniorenheim. In meinen Supervisionen sprechen wir ganz oft darüber.
Ihnen alles Gute und herzliche Grüße