Leistung neu denken

Ein Artikel über den Begriff Leistung in dem Magazin «Neue Narrative» hat mich nachdenklich gemacht.

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft und wir brauchen den Begriff »Leistung«.

Doch was verstehen wir unter Leistung genau oder wie klingt unser Narrativ über Leistung?

»Wer wirklich will und etwas leistet, schafft es nach oben, gehört dazu. Das ist das Narrativ der freien Wirtschaft«[1]

Also krempeln wir die Ärmel hoch und strengen uns ordentlich an – laufen die Extrameile. Ob uns das gut tut, steht auf einem anderen Blatt.

Das Problem bei dieser Denkweise ist, dass Leistung nicht eindeutig gemessen werden kann. Leistung ist niemals objektiv messbar, aber wir tun so.

Wie bewerten wir Leistung?

Hierzu bringt der Autor, Razavi Reza ein anschauliches Beispiel:

»Ist der Walk eines Models über den Laufsteg mehr wert als das ständige Hin-und-her-Laufen einer Pflegerin im Krankenhaus?«[2]

Wir Menschen wollen von Haus aus etwas leisten, wir wollen einen Beitrag einbringen, der sinnvoll ist – für uns selbst und für die Gesellschaft. Nur auf der Couch zu liegen, macht nicht unbedingt zufrieden – zumindest mich nicht . Und wir wollen, dass unser Beitrag gewürdigt wird – im Sinne von Entlohnung und Anerkennung.

Die zweite Schwierigkeit bezüglich Leistung ist:

Leistung wird heute in den seltensten Fällen von einer Person erbracht – Leistung wird von einer Gruppe gemeinsam erbracht. Gleichzeitig wird Leistung einer Person zugeschrieben, also individualisiert.

Schauen wir uns die Arbeit in einer Klinik an. Ein ganzes Team verschiedener Professionen sind beteiligt, dass eine OP gelingen kann. Trotzdem wird die Leistung einer einzigen Person zugeschrieben, dem Chirurgen. Der Chirurg wird gefeiert.

Die Gedanken von Nina Verheyen sprechen mich dabei an:

«Hinter jeder vermeintlich persönlichen Leistung steckt ein komplexes gemeinschaftliches Zusammenspiel: Menschen strengen sich gemeinsam an, um etwas zu schaffen».[3]

Wäre es also nicht viel angemessener und auch gesünder eine Leistung nicht als individuelle Schöpfung, sondern als gemeinsames Handeln in einem sozialen Kontext zu betrachten?

Ein neues Narrativ zum Begriff Leistung stärkt unsere Resilienz. Denn ein neues Leistungsverständnis, das zu uns Menschen und zu den Zwecken der Organisation passt – ein Leistungsverständnis, das an unseren Bedürfnissen ausgerichtet ist. Das erhält uns letztlich gesund.

Das Umdenken in Sachen Leistung macht uns auch demütiger, denn wir alle sind viel mehr von unseren Mitmenschen abhängig, als wir oft zugeben wollen.

Lassen Sie uns gemeinsam, ein neues Narrativ von Leistung entwickeln!

 

[1] Razavi, Reza. Die Magie der Transformation (Haufe Fachbuch) (German Edition). Haufe. Kindle-Version.

[2] Ebd.

[3] Verheyen, Nina: Die Erfindung der Leistung. Hanser Berlin, Berlin 2018. S. 23.