Die drei Mythen über Perfektionismus

Ist Perfektionismus für Sie ein Problem?

In meinen Stress-Seminaren machen meine Teilnehmer immer den Antreiber-Test. Und ein Antreiber ist „Perfektionismus“. Meist entsteht dann eine intensive Diskussion darüber, was bedeutet für uns ‚perfekt sein wollen‘ überhaupt. Vielleicht mögen Sie als Leser und Leserin sich einen Augenblick Zeit nehmen: Was bedeutet für Sie Perfektionismus? Ich selbst kenne den Kampf sehr gut, immer alles perfekt machen zu wollen.  Und das Leben hat mich gelehrt, dass ich mir dadurch selbst das Leben sehr schwer mache. Denn eine waschechte Perfektionistin konzentriert ihre gesamte Energie auf die Leistung und definiert sich über ihre Erfolge. Ganz schnell stellt sich dann die Angst ein, nicht gut genug zu sein – Fehler zu machen. Das führt dann zu noch mehr Anstrengung – ein Teufelskreis. Das war mit ein Grund, dass ich als junge Frau, noch keine 30 Jahre alt, in Richtung Burnout unterwegs war. Gezwungenermaßen setzte ich mich mit diesem inneren Muster auseinander.

Es ist hilfreich zu wissen, was Perfektionismus nicht ist.

Mythos Nr. 1: Perfektionismus ist nicht das Bestreben nach guter Leistung oder Arbeit

Perfektionismus heißt gerade nicht, eine gute Leistung – gute Arbeit zu erbringen. Perfektionismus ist eine Abwehrstrategie. Es ist der Glaube, nicht getadelt – nicht schlecht beurteilt zu werden, wenn wir eine perfekte Leistung erbracht haben oder perfekt aussehen. Mit dem Perfektionismus schützen wir uns vor einer schlechten Bewertung oder Verurteilung. Denn eine schlechte Beurteilung verursacht Schmerz oder gar Scham, weil wir denken: Das hätte ich besser hinbekommen, wenn ich mich mehr angestrengt hätte. Mein eigener Perfektionismus ist früh angelegt worden. Ich war in der gleichen Klasse wie die Tochter vom Lehrer. Und wenn es Noten gab, hat meine Mutter fast immer gefragt: Was hat die Tochter vom Lehrer für Noten? Das war für mich eine fürchterliche Frage und hat mich angetrieben, mich anzustrengen und gleichzeitig mich schlecht zu fühlen, wenn ich schlechter war. Sie können mir glauben, dass ich viel unternommen habe, mich nicht schlecht zu fühlen oder gar zu schämen.

Mythos Nr. 2: Perfektionismus ist keine Selbstverbesserung

Beim Perfektionismus geht es im Kern darum, Bestätigung und Anerkennung zu bekommen. Das war bei mir nicht anders. Ich wollte unbedingt das Lob meiner Eltern. Die meisten Perfektionisten strengen sich an, um die heißbegehrte Ware Anerkennung. Der Grund liegt oft in der Kindheit. Es gibt Lob für gute Erfolge und gute Noten und eben nicht einfach so ohne einen Grund. So entsteht der innere Glaubenssatz: „Ich bin, was ich leiste und wie gut ich es hinbekomme.“ Das heißt auch, Perfektionismus ist nach außen gerichtet: Was denken andere Menschen über mich und meine Leistungen? Aus dem Grund verbiegen sich Menschen und strengen sich über die Maßen an und verlieren dabei ihr Gefühl für sich selbst.

Mythos Nr. 3: Perfektionismus führt nicht zum Erfolg

Die Forschung belegt, dass Perfektionismus die Leistung beeinträchtigt, also sogar schädlich ist. Ein Teil der Energie wird in die Fehlervermeidung gesteckt und genau deswegen, bekommt so mancher Perfektionist seine PS nicht auf die Straße. Perfektionisten lähmen sich selbst. Erst wenn sie in ihren Augen etwas perfekt beherrschen, können sie nach draußen gehen. Das heißt viele Chancen werden nur in der Perfektions-Phantasie ausgelebt und nie verwirklicht. Das ist einfach schade und auch traurig. Zudem haben wissenschaftliche Studien Zusammenhänge zwischen Perfektionismus und Depressions-, Angst- und Suchterkrankungen festgestellt. Perfektionisten leben mit Glaubenssatz: Es ist ihre Schuld, wenn sie nicht gut genug sind und schon strengen sie sich noch mehr an. Und Sie dürfen es mir glauben, ich selbst tappe auch immer wieder in die Perfektions-Falle. Schließlich gilt: Perfektionismus ist eine Illusion. Es gibt nichts Perfektes – es ist ein unerreichbares Ziel. Und dafür legen wir uns so ins Zeug!

Was hilft gegen den Perfektions-Antreiber?

Eine XXL-Portion Selbstliebe 

Zwei gute Bücher zu diesem Thema – ich kann beider Bücher wärmstens empfehlen:

Ich wünsche Ihnen von Herzen, gehen Sie mit sich selbst liebevoll um und verabschieden Sie sich von Ihren perfektionistischen Tendenzen. Es lohnt sich sehr. Ihre Brigitte Hettenkofer